Geschichte
Frühzeit
In der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr.
(späte Bronzezeit) gehörte Schlesien zur
Lausitzer Kultur.
Deren Träger werden von tschechischen und polnischen – weniger
dagegen von deutschen – Wissenschaftlern als Vorfahren der
Slawen angesehen. Mit der Südausbreitung der Germanen wurde
Schlesien vor rund zweitausend Jahren von
Silingern, den übrigen
Vandalen,
Lugiern und anderen
germanischen Völkern
besiedelt. Es wurde von antiken Schriftstellern als Magna
Germania zwischen Oder und
Weichsel bezeichnet.
Die Herkunft des Namens Schlesien (lateinisch Silesia) ist nicht
ganz gesichert. Möglicherweise leitet sich der Name von dem
vandalischen Stamm der Silinger ab, nach anderen Quellen geht
der Name auf die späteren, slawischen Slensanen zurück. Nach dem
Abzug oder Untergang der Silinger im Zuge der
Völkerwanderung im 5.
Jahrhundert besiedelten nach
500
westslawische Stämme aus dem Osten Schlesien erneut, von
denen die Namen der
Golensizen,
Opolanen,
Slensanen,
Dedosizen,
Trebowanen und
Boboranen überliefert
sind.
879–992 – Mährisch-Böhmische Zeit
Im Jahre
880 (manche Quellen
sagen, vor 879) wurde ganz Schlesien von
Sventopluk dem
Großmährischen Reich
angeschlossen. Mit dem Zerfall dieses Reiches nach 906 dehnten
die
Přemysliden ihre Macht
auch über Schlesien aus. Dies erfolgte wohl schon zu Zeiten des
ersten
böhmischen Herzogs
Spytihněv I. und wurde
durch seinen Nachfolger
Vratislav I.
fortgeführt. Vratislav erweiterte seinen Herrschaftsbereich über
das Land der Golensizen hinaus um die mittelschlesischen Gebiete
links der
Oder. Zum Schutz der
Grenze gründete er die Burg Vratislavia (Breslau,
polnisch: Wrocław, tschechisch: Vratislav). Diese entwickelte
sich später zum Zentrum Schlesiens als Herzogs- und Bischofssitz
und
Nimptsch, der Hauptort
des
Gaues Slenzane verlor
seine Bedeutung. Fürst
Boleslav I., dem die
Gründung der Burg
Boleslavecz (Bunzlau)
zugeschrieben wird, konnte seinen Machtbereich noch deutlich
erweitern. Neben dem Land der Boboranen und Opolanen besaß er in
der Zeit zwischen
950 und
963 auch die Gebiete
der Wislanen mit der Stadt
Krakau sowie der
Dedosizen.
992–1146 – Polnische Zeit
Vor
950 entstand zwischen
Warthe,
Weichsel und
Pilica das erste
polnische
Piastenherzogtum unter
Mieszko I.. Mit
Unterstützung Kaiser
Ottos II., dem eine
Machtbeschränkung des Prager Fürsten
Boleslav II.(„der
Fromme“) willkommen war, begann Mieszko I. eine intensive
Südexpansion und eroberte Mittelschlesien mit der strategisch
wichtigen Burg
Nimptsch, nachdem er
bereits nach 970 das Land der Dedosizen an der Mündung des
Bober in die Oder
besetzt hatte. Auch von Westen her sollte die Macht der
Přemysliden in Schlesien beschränkt werden. Dem
968 errichteten
Bistum Meißen hatte
Kaiser
Otto I. den
Zehnt des
Dedosizenlandes überlassen, einer Durchführung dieser
Ostausdehnung kam jedoch Mieszko I. zuvor. Im Bunde mit Kaiser
Otto III. führte
Mieszkos Sohn
Bolesław I. Chrobry
(„der Tapfere“) die Christianisierung Schlesiens fort – im Jahr
1000 Gründung eines katholischen Bistums in Breslau, welches bis
zum 19. Jh. mit dem Erzbistum in
Gnesen verbunden war.
Bolesław I.
Chrobry eroberte zwischen
1012/13 die Gebiete
der heidnischen Opolanen, Golensizen und Wislanen und konnte
dadurch ganz Schlesien einschließlich Teilen der
Lausitz sowie
Kleinpolen in sein
Herzogtum territorial vollständig eingliedern. Damit begann die
erste polnische Herrschaftphase über Schlesien.
Als Bolesław I. im Jahre
1025 starb, setzte ein
rapider Zerfall des Königreiches Polen ein. Die Macht in Polen
und somit auch in Schlesien ging an lokale Führer über. Als
1037 in weiten Teilen
Polens ein Aufstand gegen die christliche Kirche ausbrach und
die Breslauer Bischöfe nach
Schmograu und auf die
Burg Ritschen verjagt wurden, nutzte Herzog
Břetislav I. von
Böhmen
1038 die Gunst der
Stunde und eroberte im böhmisch-polnischen Krieg Schlesien
zurück.
1054 gelangte
Schlesien wieder zum Herzogtum Polen, nachdem Kaiser
Heinrich III. im
Frieden von
Quedlinburg Břetislav
I. zum Verzicht auf Schlesien hatte bewegen können und
Kasimir I. im Gegenzug
zur Zahlung eines Tributs an Böhmen bereit gewesen war. Diese
Übereinkunft wurde zum Anlass mehrerer kleinerer Kriege zwischen
Böhmen und Polen, nachdem sich die polnischen Herrscher seit
Boleslaw Szczodry / Śmialy
(„der Freigiebige“ bzw. „Kühne“)geweigert hatten, die
schlesische Pacht zu bezahlen. Erst der
1137 geschlossene und
1138 bestätigte
Pfingstfrieden von Glatz
legte eine dauerhafte Grenzziehung zwischen Schlesien, Böhmen
und Mähren fest. Dabei verblieb das umstrittene
Glatzer Land ebenso
wie Teile des Golensizenlandes südlich des Flusses
Zinna, das
Troppauer Land, bei
Böhmen.
Das Königreich Polen wurde im Rahmen der 1138
eingeführten polnischen
Senioratsverfassung in
mehrere Herzogtümer aufgeteilt, das Seniorat Polen, von denen
eines das Herzogtum Schlesien unter
Wladyslaw II., der
damit die
schlesische Linie der Piasten
begründete, war. Ab 1138 setzte aber auch ein Bruderkrieg ein,
der zur Absetzung Wladyslaws II. und einer
Zersplitterung Polens
führte.
1146–1348 – Periode polnisch-piastischer
Herzogtümer und deutsche Ostkolonisation
Im Streit mit seinen jüngeren Brüdern floh der
polnische Seniorherzog Wladyslaw II. 1146 mit seiner Familie in
das
Heilige Römische Reich
und ersuchte Kaiser
Konrad III. um
politische Unterstützung, indem er sich und sein verlorenes
polnisches Königreich der Oberhoheit des Kaisers unterstellte.
Dadurch wurde Schlesien theoretisch Teil des Heiligen Römischen
Reiches, jedoch verfügte Wladyslaw II. durch seine Flucht über
keine reale Macht mehr in Polen. Sowohl Kaiser Konrad als auch
sein Nachfolger
Friedrich I. führten
1146 bzw. 1157 Feldzüge gegen Polen an. Seniorherzog
Boleslaw IV. sagte
zwar die Rückgabe des Herzogtums Schlesien an Wladyslaw II. zu,
zögerte diese aber bis
1163 hinaus. Erst
unter Androhung weiterer kriegerischer Handlungen händigte
Boleslaw IV. Schlesien den drei Söhnen Wladyslaws II. aus. Der
ältere
Boleslaw I. († 1201)
erhielt Mittel- und Niederschlesien als Herzogtum Schlesien (ducatus
Silesiae) mit dem Zentrum
Breslau. Der mittlere
Mieszko IV. Kreuzbein
(† 1211) bekam die oderaufwärts gelegenen Gebiete
Ratibor und
Teschen.
Konrad († um 1180/90)
wurde zum Herzog von
Glogau. 1201 wurden
die Gebiete Mieszkos um
Oppeln erweitert und
zum Herzogtum Oppeln (ducatus Opoliensis) zusammengefasst. Es
entstand der Oppelner Zweig der schlesischen Piasten.
Durch die formelle Aufhebung der
Senioratsverfassung 1180 in
Łęczyca und besonders
seit dem Tod
Mieszkos III. verfiel
Polen, mangels starker, einigender Zentralgewalt, zusehends in
selbständige feudalistische Fürstentümer, darunter fielen auch
die Herzogtümer Schlesien und Oppeln, dennoch fühlten sich die
verschiedenen piastischen Zweige als ein Teil einer großen
Familie in dynastischer Verbundenheit. Der
Einfall mongolischer Heere
im Jahre
1241 in Südpolen und
die mit ihm verbundene Verwüstung des Landes und massive
Dezimimierung der polnischen Bevölkerung (um vier Fünftel)
schufen die strukturellen Voraussetzungen zur Neu- und
Aufsiedelung des Landes im Rahmen der deutschen Ostkolonisation.
Seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts setzte die
deutsche Ostkolonisation
verstärkt ein. Die deutschen
Siedler gründeten mehr
als 100 neue Städte und über 1.200 Dörfer nach
deutschem Recht sowie
viele
Kirchen und
Hospitäler. Auch die ursprünglichen polnischen Siedlungen
passten sich zum großen Teil rechtlich, sozial und sprachlich
den deutschen Siedlungen an. Die Siedler stammten überwiegend
aus dem mittelfränkischen Sprachraum (bei Mainz), aus Hessen und
Thüringen. Der Dialekt der Niederschlesier wurde daher zu einer
Mundart, die mittelfränkische, hessische und thüringische
Merkmale vereinte.
Die Bevölkerung wuchs auf mindestens das
Fünffache. Schlesien war jahrhundertelang eine Brücke zwischen
West und Ost sowie zwischen Nord und Süd. Ihr Initiator waren
Herzog
Heinrich I. von Schlesien
und seine Frau
Hedwig von Andechs. Ab
1249 zerfiel das Herzogtum Schlesien und ab 1281 das Herzogtum
Oppeln in zeitweilig mehr als ein Dutzend kleiner, miteinander
im Bruderkrieg liegender Herzogtümer. Während dieses
Machtvakuums
versuchten Ende des 13. Jahrhunderts böhmische Könige und später
das geeinte Polen, unter den
kujawischen Piasten,
die Nachkommen
Kasimirs des Gerechten,
Schlesien dem jeweiligen
Supremat zu
unterwerfen.
1348–1525 – Böhmische Zeit
Schließlich unterstellten sich die Piasten in den
Herzogtümern Schlesien
und
Oppeln einzeln oder in
Gruppen als Vasallen der Lehnshoheit der böhmischen Könige: 1327
die Herzöge von
Teschen,
Falkenberg,
Cosel-Beuthen,
Auschwitz,
Oppeln,
Ratibor und
Breslau, 1329 die
Herzöge von
Sagan,
Oels,
Steinau und
Liegnitz-Brieg,
1331 die Herzöge von
Glogau, 1336
Münsterberg und 1342
das Bistumsland
Neisse-Ottmachau.
1353 gewann Böhmen das
Herzogtum Schweidnitz-Jauer
durch die Heirat
Karls IV. mit der
schweidnitz-jauerschen Erbin
Anna.
Im
Vertrag von Visegrád
1335, im
Vertrag von Trentschin
(1335, bestätigt 1339) sowie im
Vertrag von Namslau
1348 verzichtete der polnische König,
Kasimir der Große, auf
Ansprüche der königlichen Linie der
Piasten auf Schlesien
polnische Krone, die sie als Erben der Przemysliden
Wenzel II. und
Wenzel III.
beanspruchten. Später bemühte er sich jedoch, allerdings
vergeblich, um eine Annullierung dieses Vertrages beim Papst. Im
Jahre 1348 inkorporierte schließlich König
Karl IV. Schlesien in
die Länder der
böhmischen Krone.
Damit wurde Schlesien ein Teil des Heiligen Römischen Reichs,
das sich seit der Zeit des Spätmittelalters um 1486
Heiliges Römisches Reich
Deutscher Nation nannte.
Von diesen von der böhmischen Krone gewonnenen
Gebieten gingen die Herzogtümer
Breslau,
Glogau,
Schweidnitz (definitiv
1368) und
Jauer (definitiv 1368)
nach dem Aussterben der dortigen jeweiligen schlesischen Piasten
in unmittelbaren
böhmischen Kronbesitz
als so genannte Erbfürstentümer über, während in den übrigen
(15) Lehnfürstentümern schlesische Piasten regierten, aber in
mehrere Linien aufgesplittert.
Das seit 1137 zu Böhmen gehörende Troppauer Land
wurde 1318 unter einer Nebenlinie der Prager
Přemysliden zum
Herzogtum
Troppau erhoben. 1336
entstand durch eine entsprechende Heirat eine Personalunion
zwischen Troppau und Ratibor, wodurch Troppau (wieder)
politisch-rechtlich nach Schlesien hineinwuchs.
Im 14. und frühen
15. Jahrhundert konnte
sich Schlesien in jeder Hinsicht ungestört und prächtig
weiterentwickeln. Anfang des
15. Jahrhunderts
entstanden die Begriffe Ober- und Nieder-Schlesien.
Ober-Schlesien
umfasste die Fürstentümer im Gebiet des ehemaligen Herzogtums
Oppeln sowie das przemyslidische Troppau. Das westlicher
liegende
Nieder-Schlesien
umfasste entsprechend die Fürstentümer des ungeteilten
Herzogtums Schlesien einschließlich des
Breslau-Ottmachauer Bistumslandes.
Die gegen Katholiken und Deutsche gerichteten
Hussitenkriege trafen
Schlesien als
katholisch und deutsch
geprägtes Nebenland Böhmens besonders hart. Menschen- und
Siedlungsverluste, wirtschaftlicher Niedergang und eine von den
Hussiten ausgelöste
Slawisierungswelle
waren die Folge. Die Situation verbesserte sich erst 1469, als
der ungarische König
Matthias Corvinus
Mähren, Schlesien und die Lausitz eroberte und im
Frieden von Olmütz
1479 in seinem Besitz bestätigt wurde. Matthias setzte einen
allgemeinen
Landfrieden durch und
reorganisierte und zentralisierte die Landesverwaltung, er schuf
das Amt eines königlichen Oberlandeshauptmannes und Fürstentage
als bleibende Einrichtung.
Nach Corvinus´ Tod 1490 wurde Schlesien wieder
ein Lehen des Königs von Böhmen,
Ladislaus II. aus der
Dynastie der
Jagiellonen. In der
Zwischenzeit fielen die Grenzherzogtümer
Auschwitz 1457 und
Zator 1494 an Polen,
Sagan 1472 an die
Wettiner und
Crossen gelangte 1482
an
Brandenburg.
Andererseits kamen die Söhne des ehemaligen böhmischen Königs
Georg von Podiebrad in
den Besitz der schlesischen Herzogtümer
Münsterberg und
Frankenstein (seit
1459) sowie
Oels (seit 1495).
1526–1742 – Habsburgische Zeit
Nach dem Tod des böhmischen Königs
Ludwig II. in der
Schlacht bei Mohács (1526)
kam die böhmische Königswürde an
Ferdinand I. und somit
an die Dynastie der deutschen
Habsburger. 1526–1740
waren die österreichischen Habsburger als Könige von Böhmen auch
Herzöge von Schlesien. Im
16. Jahrhundert wurden
die meisten schlesischen Städte protestantisch. Verfolgungen der
Protestanten im Zuge der in habsburgischen Landen durchgeführten
Gegenreformation wurden in Schlesien durch
Toleranzvereinbarungen beendet. Im
16. Jahrhundert
setzten die letzten schlesischen Piasten der verbliebenen
Kleinstaaten die brandenburgischen
Hohenzollern als Erben
ein. Die Habsburger Kaiser brachten aber auch diese letzten
Kleinstaaten unter die böhmische Krone. Als
1675 der letzte
schlesische Piast starb, konstruierte der Preuße
Friedrich II. daraus
einen Anspruch auf ganz Schlesien für Preußen. Seit der 2.
Hälfte des
17. Jahrhunderts war
Schlesien das wirtschaftlich wichtigste Gebiet der Habsburger
Monarchie (Textilindustrie).
1742–1918 – Preußen, Deutsches Kaiserreich und
k.u.k. Monarchie
Nach dem
Ersten Schlesischen Krieg
und dem
Vorfrieden von Breslau
(1742)
wurde vereinbart, dass Österreich Nieder- und Oberschlesien bis
zur
Oppa an Preußen
abzutreten hatte. Nach dem
Dritten Schlesischen Krieg
(1756 bis 1763) musste auch die bis dahin böhmische
Grafschaft Glatz an
Preußen abgegeben werden. Ein kleinerer Teil Schlesiens um
Troppau,
Jägerndorf,
Teschen,
Bielitz,
Zator sowie
Neisse blieb als
Österreichisch Schlesien
bis 1918 Bestandteil der
k.u.k. Monarchie.
Zuerst (bis 1782) als Teil von Böhmen, danach (bis 1849 und
1860–1861)
Mähren. Laut einem
Dekret vom 4. März 1849 wurden alle Völker Österreichs, darunter
auch Schlesier, gleichberechtigt und mit dem Dekret vom 30.
Dezember 1849 wurde das Schlesische Land gebildet. Man gründete
einen Schlesischen Landtag in Troppau, mit 30 gewählten
Abgeordneten + Breslauer Bischof, ab 1866 waren 6 Schlesische
Abgeordnete sogar Mitglieder des Staatsrates in Wien, stellten
österreichischen Finanzminister und bekleideten andere hohe
Staatsämter in Österreich. Der Schlesische Landtag arbeitete mit
einer zehnjährigen Pause (1851–1861) bis zum Zerfall k.u.k.
Monarchie 1918.
Nach dem
Wiener Kongress von
1815 entstand die
Konföderation
Deutscher Bund als
Nachfolger des untergegangenen
Heiligen Römischen Reiches
Deutscher Nation, so dass beide Teile Schlesiens
Bestandteil des Deutschen Bundes waren. Preußen umorganisierte
seine Territorien als
Provinzen, und
Schlesien wurde eine der zunächst 10 Provinzen. 1816 kam die vom
Königreich Sachsen
abzutretende nordöstliche Hälfte der
Oberlausitz zur
preußischen Provinz hinzu, und Provinzhauptstadt wurde Breslau.
Nach der Auflösung des Deutschen Bundes 1866 durch den
Prager Friedensvertrag
und die Gründung der neuen Staaten
Norddeutscher Bund
(1867) bzw.
Deutsches Reich (1871)
wurde nur Preußisch Schlesien Bestandteil des 2. Deutschen
Reiches. Bei den Reichstagswahlen Ende des 19. Jahrhunderts
wählten die Oberschlesier mehrheitlich das katholische Zentrum.
Die Niederschlesier wählten zunächst überwiegend die Partei der
„Deutsch Freisinnigen“, später zunehmend die SPD. Mit der
beginnenden Industrialisierung wurde
Oberschlesien mit
seinen Steinkohlebergwerken neben dem Ruhrgebiet zu einer der
wirtschaftlich wichtigsten Regionen des Deutschen Reiches.
Schlesien im Deutschen Reich
1918–1937
Nach dem
Ersten Weltkrieg kam
es in Mitteleuropa zur tiefgreifenden geopolitischen
Veränderungen. Die Kriegsverlierer, das kaiserliche Deutsche
Reich und
Österreich-Ungarn, die
sich bis dahin Schlesien teilten, mussten ihre Teile Schlesiens
ganz (k.u.k.) oder teilweise (Deutsches Reich) zu Gunsten der
neu entstandenen Staaten Polen und Tschechoslowakei abgeben.
Besonders umstritten war dabei Oberschlesien. Der 13. Punkt der
„offiziellen Friedensziele der Alliierten“ (formuliert von
US-Präsident
Woodrow Wilson) sah
die Wiederherstellung eines unabhängigen polnischen Staates vor,
und zwar ausdrücklich nicht in den historischen Grenzen vor den
Teilungen Polens,
sondern mit allen „von einer unbestreitbar polnischen
Bevölkerung bewohnten Gebieten”.
Oberschlesien war sprachlich ein Mischgebiet (Slawophon/Polnisch
ca. 60 %, Deutsch etwa 40 %) und mehrheitlich katholisch (88 %).
Die Bevölkerung von Niederschlesien war deutschsprachig und
überwiegend evangelisch (68 %).
Der
Versailler Vertrag sah
vor, dass Oberschlesien Polen zugesprochen werden sollte. Dies
wurde jedoch, vor allem dank englischer Unterstützung, zu
Gunsten eines
Plebiszits geändert.
Bei dieser Volksabstimmung im März 1921 votierten 60% für den
Verbleib beim Deutschen Reich und 40% für Polen. Die über drei
Jahre andauernden Spannungen vor und nach dem Plebiszit mündeten
in drei propolnische
Aufstände in Oberschlesien.
Über die endgültige Teilung Oberschlesiens wurde erst 1922
entschieden, wobei der Oberste Rat der Alliierten ca. 70% des
Abstimmungsgebiets dem Deutschen Reich und ca. 30% Polen
zusprach, ohne dass die Teilungslinie immer lokalen
Mehrheitsverhältnissen beim Plebiszit entsprach.
Im polnischen Teil Schlesiens entstand die
Autonome Woiwodschaft Schlesien
mit der Hauptstadt
Kattowitz. Der größte
Teil Schlesiens verblieb jedoch auch nach diesen Teilungen beim
Deutschen Reich und wurde in die bereits 1919 neu geschaffenen
Provinzen
Niederschlesien mit
der Hauptstadt
Breslau und
Oberschlesien mit der Hauptstadt
Oppeln untergliedert.
Den Oberpräsidenten (Verwaltungschef der Provinz) stellte in
Oberschlesien bis 1933 das Zentrum, in Niederschlesien bis 1932
die SPD.
Das so genannte
Hultschiner Ländchen,
ein (Teil des Landkreises
Ratibor), war bereits
Ende 1918 von
Tschechen militärisch
besetzt worden und kam im September 1919 mit dem
Vertrag von St. Germain
zur Tschechoslowakei. Das österreichische Kronland
Österreichisch Schlesien
kam nach dem Ersten Weltkrieg überwiegend zur neu gegründeten
Tschechoslowakei – diese Gebiete gehören heute zu
Tschechien – und zum
kleineren Teil zu
Polen. Anfang 1919 kam
es um das Industriegebiet von
Teschen zum
Polnisch-Tschechoslowakischen
Grenzkrieg. Auf Druck Frankreichs stimmte die
Tschechoslowakei einer Aufteilung der Stadt zu, durch die der
kleinere, aber wirtschaftlich wertvollere Teil der Stadt an
Polen fiel.
Anfang Oktober
1938 kam der von
Deutschen besiedelte Teil des tschechoslowakischen Schlesiens
infolge des
Münchner Abkommens zum
Deutschen Reich,
wenige Wochen später kam das mehrheitlich von Polen besiedelte
Teschener Land zu
Polen.
1939–1945
Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Polen im
September 1939 wurden die 1921 zwangsweise an Polen abgetrennten
Teile Oberschlesiens vom diktatorisch regierten Deutschen Reich
okkupiert.
1938 waren die beiden
seit 1919 getrennten Provinzen (Ober- und Niederschlesien)
wieder vereinigt worden.
1941 wurden Ober- und
Niederschlesien erneut geteilt. Jedoch wurde nun Kattowitz
Hauptstadt des Gaus Oberschlesiens, in dem im Unterschied zu
Niederschlesien
bereits vor
1945 nicht nur
Deutsche, sondern auch Polen wohnten. Dem Gau Oberschlesien
wurden Grenzgebiete des von Hitlerdeutschland besetzten
Kleinpolens, wie der
Ostteil des Oberschlesischen Industriegebiets, das
Zagłębie Dąbrowskie,
angegliedert. Damals wurde auch das kleinpolnische
Auschwitz Teil des
Gaus Oberschlesien. Hier errichtete die Hitler-Diktatur das
größte Vernichtungslager
Auschwitz-Birkenau, in
dem ca. 1,5 Mill. Menschen, vor allem Juden aus Polen und
anderen Teilen Europas sowie nichtjüdische Polen, ermordet
wurden. Außerdem funktionierte das
KZ Groß-Rosen bei
Breslau 1940–1945 mit zahlreichen
Außenlagern. Seit 1943
arbeitete die Oberbauleitung Riese im
Eulengebirge.
1945–1947: Vertreibung der Deutschen
Nach dem
Zweiten Weltkrieg ließ
der
sowjetische Diktator
Josef Stalin
Schlesien, wie alle deutschen Gebiete östlich der
Oder-Neiße-Linie, von
Deutschland (deutscher Sprachraum) abtrennen. Dies geschah
entgegen der Vereinbarung der Großen Drei in Potsdam. Dort
hatten die Alliierten die Grenzziehungsfrage zwischen Polen und
Deutschland für eine abschließende Friedenskonferenz
aufgeschoben.
Der größere Teil der damals 4,5 Millionen
deutschen Schlesier floh ab Anfang
1945 vor der
anrückenden
Roten Armee oder wurde
nach deren Eintreffen gewaltsam vertrieben. Ab dem Frühsommer
1945 wurde die
Vertreibung der
verbliebenen Deutschen von kommunistischen Stellen organisiert.
Diese
Vertreibung wurde
administrativ von kommunistischen Behörden mit Hilfe der
Bierut-Dekrete
durchgeführt. Diese ermöglichten die Einziehung des gesamten
beweglichen und unbeweglichen Eigentums von Personen deutscher
Nationalität zugunsten des polnischen Staates. Deswegen wurden
im Juni 1945 alle Deutschen aus einem Gebietsstreifen von etwa
30 Kilometer Breite unmittelbar östlich der Lausitzer Neiße
vertrieben. Weiter nördlich – in
Ostbrandenburg und
Hinterpommern
– wurden zur selben Zeit die Deutschen aus dem Gebiet
unmittelbar östlich der Oder vertrieben.
Da die kommunistische Verwaltung zu diesem
Zeitpunkt noch keineswegs gefestigt war, konnten im Sommer 1945
jedoch auch viele geflohene Schlesier zunächst wieder in ihre
Heimat zurückkehren, bevor sie in den Jahren 1946 und 1947
endgültig vertrieben wurden. Rund 1,2 Millionen Deutsche in
Oberschlesien und etwa 150.000 in Niederschlesien entgingen der
Vertreibung zunächst ganz. Der Grund war im Falle der
Oberschlesier die uneindeutige nationale Identität
(Zweisprachigkeit, „schwebendes
Volkstum“), im Falle der nicht vertriebenen
Niederschlesier ihre Nützlichkeit als
Facharbeiter,
insbesondere im
Bergbau um die Stadt
Waldenburg. Die
weitaus meisten Niederschlesier siedelten in den Jahren 1958 bis
1960 in die neue Bundesrepublik Deutschland aus, zum kleineren
Teil in die neue
DDR. Laut der
Volkszählung 2002 leben in Schlesien 140.895 Deutsche (1,61% der
Gesamtbevölkerung Schlesiens), davon in der
Woiwodschaft Niederschlesien
2.158/0,074%,
Woiwodschaft Oppeln
106.855/10,033% und
Woiwodschaft Schlesien
31.882/0,672%. Von den nicht vertriebenen Oberschlesiern sind
die meisten ab etwa Mitte der 1970er Jahre in die Bundesrepublik
Deutschland aus wirtschaftlichen und politischen Gründen
ausgewandert oder – wie es vor allem seit der Mitte der 1980er
der Fall war – illegal mit einem
Touristenvisum in die
BRD gekommen und erhielten dort einen Vertrieben-Status und
somit u.a. das Recht auf eine Entschädigung für das in Schlesien
zurückgelassene Eigentum. Der Höhepunkt der
Aussiedlung- bzw.
Ausreisewelle von
Deutsch-Polen war Anfang 1990, ungeachtet oder gerade wegen der
Anerkennung der deutschen Minderheit in Polen.
Das ehemalige
Eigentum der
geflohenen und vertriebenen Deutschen wurde im Jahre 1946 durch
zwei polnische Dekrete als „verlassenes bzw. herrenloses Gut“
entschädigungslos konfisziert. Die späteren deutsch-polnischen
Aussiedler aus Schlesien haben hingegen nicht ihr gesamtes
Eigentum verloren, einige haben sogar nach 1990 Teile ihres
Eigentums aus Polen zurückerhalten.
Die Zahl der Toten bei der Vertreibung aus
Schlesien ist nicht exakt bekannt. Ausweislich der „Gesamterhebung
zur Klärung des Schicksals der deutschen Bevölkerung in den
Vertreibungsgebieten“ (München, 1964) sind 51.926 namentlich
bekannte Niederschlesier (ohne Breslau) nachweislich „bei und
als Folge der Vertreibung“ ums Leben gekommen, einschließlich
2.308
Suizide. Hinzu kommen 210.923 namentlich bekannte
„ungeklärte Fälle“, davon 93.866 mit Vermisstenhinweis und
48.325 mit Todeshinweis (Quelle: Band II, Seite 353 dieser
Dokumentation). Für Breslau, das gesondert erfasst wurde,
betragen die Zahlen: 7.488 nachweislich Umgekommene, davon 251
Suizide. 89.931 namentlich bekannte ungeklärte Fälle, davon
37.579 mit Vermissten- und 1.769 mit Todeshinweis (Band II, S.
456 der Gesamterhebung). Von den Oberschlesiern sind 41.632
nachweislich umgekommen, davon 302 durch Suizid. Von den 232.206
namentlich erfassten ungeklärten Fällen, lag für 46.353 ein
Vermissten- und für 2.048 ein Todeshinweis vor (Quelle: Band II,
Seite 405 dieser Dokumentation). Dies ergibt eine Gesamtzahl von
634.106 geklärten Todes- und ungeklärten Vermisstenfällen im
Zusammenhang mit der Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus
Schlesien. Bezogen auf eine Gesamtzahl von 4.592.700 Einwohnern
(Volkszählung 1938) ergibt dies einen Bevölkerungsverlust durch
geklärte Todes- und ungeklärte Vermisstenfälle von 13,8 % der
Gesamtbevölkerung. Rechnet man aus den 4.592.700 Einwohnern noch
die bereits im Krieg umgekommenen und die im Kriegsverlauf
geflohenen Einwohner heraus, so liegt der prozentuale Anteil
noch weit höher.
Ab 1945: Polnische Verwaltung / Volksrepublik
Polen
Schlesiens heutige polnische Woiwodschaften
(Niederschlesien, Oppeln und (Ober-)Schlesien)
In Schlesien wurden meist Polen aus Zentralpolen
und aus den ehemals ostpolnischen Gebieten neu angesiedelt.
Hinzu kamen mehrere Zehntausend der zwischen April und Juli 1947
im Rahmen der Aktion Weichsel (Akcja
Wisła) aus Südostpolen umgesiedelten, bzw. von Polen
vertriebenen
Ukrainer, und Polen
aus
Bosnien,
Frankreich, auch
griechische Kommunisten. Auch mehr als 100.000 polnische Juden
kamen nach Niederschlesien, die meisten von ihnen wanderten
später in den Westen und nach Israel aus.
Das polnische Schlesien ist heute in die
Woiwodschaften
Schlesien (Śląskie),
Niederschlesien (Dolnosląskie),
Oppeln (Opolskie), zu
kleinen Teilen auch
Lebus (Lubuskie),
sowie
Großpolen (Wielkopolskie)
und
Kleinpolen (Małopolskie)
aufgeteilt. Die Gebiete Schlesiens, die vor 1938 Bestandteil der
Tschechoslowakei waren, wurden 1945 wieder der CSR
angeschlossen. Die deutsche Bevölkerung wurde auch von hier
vertrieben.
Der westlich der
Lausitzer Neiße
liegende Teil der Provinz Niederschlesien blieb deutsch und
wurde nach 130 Jahren wieder Teil von
Obersachsen.
Geografisch ist es ein Teil der
Oberlausitz.
Seit 1991 – Republik Polen
Mit dem deutsch-polnischen Grenzvertrag von 1991
kam der östlich der Neiße gelegene Teil Schlesiens auch
völkerrechtlich zur Republik Polen. Bei der Neugliederung der
Woiwodschaften vor wenigen Jahren wurden die historischen
Grenzen Schlesiens teilweise wieder berücksichtigt. Das
polnische Schlesien ist heute in die
Woiwodschaft Schlesien
(Śląskie),
Niederschlesien (Dolnosląskie),
Oppeln (Opolskie), zu
kleinen Teilen auch
Lebus (Lubuskie) sowie
Großpolen (Wielkopolskie)
und
Kleinpolen (Małopolskie)
aufgeteilt.
Schlesien entwickelt sich heute wirtschaftlich
positiv, besonders erfolgreich ist die Automobilindustrie in
Gliwice. Bei der
Abstimmung über den EU-Beitritt im Jahre 2004 und in weiteren
Wahlen erwies sich die heute polnische Bevölkerung Schlesiens
als weitaus pro-europäischer als die Bevölkerung in den
altpolnischen Gebieten.
Im Januar 2005 hat der polnische
Sejm ein neues
Minderheitengesetz verabschiedet. Danach wird es in etwa 20
Gemeinden in Oberschlesien mit mehr als 20% deutschsprachigem
Bevölkerungsanteil möglich sein, eine zweisprachige
Ortsbeschilderung und Deutsch als Verwaltungshilfssprache
einzuführen. |